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Droste in Meersburg

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Was die Westfälin Annette von Droste nach Meersburg führt

Erst will sie gar nicht hin, dann bleibt sie bis zu ihrem Lebensende: Was die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff mit dem Bodensee verbindet.
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Rüschhaus bei Münster, März 1841

Annette von Droste-Hülshoff auf einer Daguerreotypie von Friedrich Hundt, 1845. Quelle: Wikimedia
Annette von Droste-Hülshoff auf einer Daguerreotypie von Friedrich Hundt, 1845. Quelle: Wikimedia
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Annette von Droste-Hülshoff, die Dichterin aus Westfalen, ziert sich. Seit zweieinhalb Jahren schon lebt ihre Schwester Jenny mit Ehemann Joseph von Laßberg und den gemeinsamen Zwillingstöchtern in Meersburg. Mutter Therese hat ihren Antrittsbesuch dort längst gemacht, Schwester Annette ist wiederholt eingeladen worden. Doch sie kann sich einfach nicht zu der Reise vom Münsterland an den Bodensee aufraffen.

Zu wenig Geld!

Keine Zeit!

Krankenpflege beim Neffen!


Immer wieder findet sie Ausflüchte. In Wahrheit mag sie das heimische Rüschhaus einfach nicht verlassen. Hier findet die Dichterin Ruhe zum Schreiben. Hier und im nahen Münster hat sie kluge Gesprächspartnerinnen, mit denen sie sich über Literatur und über ihre erste Buchveröffentlichung (1838 ist ihr erster Gedichtband  erschienen) austauschen kann. 

Und: Hier hält sich Levin Schücking auf, der Sohn einer verstorbenen Bekannten, den Annette unter ihre Fittiche genommen hat und der inzwischen einer ihrer wichtigsten Freunde geworden ist. Regelmäßig besucht er sie im Rüschhaus.

Viele Gründe also, das Münsterland nicht zu verlassen.
Annette von Droste-Hülshoff auf einer Daguerreotypie von Friedrich Hundt, 1845. Quelle: Wikimedia
Annette von Droste-Hülshoff auf einer Daguerreotypie von Friedrich Hundt, 1845. Quelle: Wikimedia
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Schwester Jenny lässt nicht locker

Jenny von Laßberg, die Schwester der Dichterin.       Quelle: Wikimedia
Jenny von Laßberg, die Schwester der Dichterin. Quelle: Wikimedia
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Ihr neues Zuhause, das Alte Schloss in Meersburg am Bodensee, schildert Jenny von Laßberg der Familie in rosigen Farben: "... es bewohnt sich sehr angenehm, ist sehr trocken, hell und sonnig, und scheint sehr gesund zu liegen, denn weder die Kinder noch der Vater waren jemals so gesund als diesen Winter."

Für 10.000 Gulden haben sie die Burg überm Seeufer gekauft, ein Wohnsitz ganz nach dem Geschmack Josephs von Laßberg, der ein Faible für alles Ritterliche hat. Hier findet er Platz für seine umfangreiche Sammlung mittelalterlicher Bücher und Handschriften.
Jenny von Laßberg, die Schwester der Dichterin.       Quelle: Wikimedia
Jenny von Laßberg, die Schwester der Dichterin. Quelle: Wikimedia
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Ein heimliches Arrangement

Levin Schücking, Freund der Dichterin.  Quelle: Wikimedia
Levin Schücking, Freund der Dichterin. Quelle: Wikimedia
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Im Spätsommer 1841 gibt Annette ihren Widerstand auf und packt für die Reise nach Meersburg.

Eine kleine Verschwörung mit Schwester und Schwager hat diesen Meinungsumschwung entscheidend befördert: Levin Schücking bekommt den Auftrag, Laßbergs Bibliothek zu ordnen. Annette kann in Meersburg Zeit mit ihm verbringen, fern ab vom Münsteraner Klatsch und Tratsch.

Der im Rüschhaus zurückbleibenden Therese erzählt die "gehorsame Tochter"  sicherheitshalber erst von Levins Job, als sie bereits am Bodensee angekommen ist.
Levin Schücking, Freund der Dichterin.  Quelle: Wikimedia
Levin Schücking, Freund der Dichterin. Quelle: Wikimedia
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Wie Annette wohnt





Vom Rüschhaus bei Münster
nach Meersburg am Bodensee:
Heute ist die Strecke mit Bahn und Bus 
in gut acht Stunden zu bewältigen.

Damals  war man rund 180 Stunden
unterwegs, zurückgelegt in
mehreren Etappen per Kutsche,
Schiff und
Eisenbahn.
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Meersburg zur Droste-Zeit: Eine ehemalige fürstbischöfliche Residenz mit gut 1400 Einwohnerinnen und Einwohnern, die von Weinbau, Schifffahrt und Fischfang leben oder Beamte der letzten Bischöfe von Konstanz waren.
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Vorher/Nacher Ansicht

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Die Unter- und Oberstadt von Meersburg heute (Richardfabi) und um 1800 (Heinrich Beuler).
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Bei ihrem ersten Aufenthalt
wohnt die Dichterin im Kapellenturm
rechts vom Eingang zur Burg.
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Auf der Burg haus' ich am Berge,
Unter mir der blaue See,
Höre nächtlich Koboldzwerge,
Täglich Adler aus der Höh',
Und die grauen Ahnenbilder
Sind mir Stubenkameraden,
Wappentruh' und Eisenschilder
Sofa mir und Kleiderladen.
 
Schreit' ich über die Terrasse
Wie ein Geist am Runenstein,
Sehe unter mir die blasse
Alte Stadt im Mondenschein,
Und am Walle pfeift es weidlich,
- Sind es Käuze oder Knaben? -
Ist mir selber oft nicht deutlich,
Ob ich lebend, ob begraben!
 
Mir genüber gähnt die Halle,
Grauen Tores, hohl und lang,
Drin mit wunderlichem Schalle
O Langsam dröhnt ein schwerer Gang;
Mir zur Seite Riegelzüge,
Ha, ich öffne, lass die Lampe
Scheinen auf der Wendelstiege
Lose modergrüne Rampe,
 
Die mich lockt wie ein Verhängnis,
Zu dem unbekannten Grund;
Ob ein Brunnen? ob Gefängnis?
Keinem Lebenden ist's kund;
Denn zerfallen sind die Stufen,
Und der Steinwurf hat nicht Bahn,
Doch als ich hinab gerufen,
Donnert's fort wie ein Orkan.
 
Ja, wird mir nicht baldigst fade
Dieses Schlosses Romantik,
In den Trümmern, ohne Gnade,
Brech' ich Glieder und Genick;
Denn, wie trotzig sich die Düne
Mag am flachen Strande heben,
Fühl' ich stark mich wie ein Hüne,
Von Zerfallendem umgeben.

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Den "Droste-Turm" zur Seeseite hin wird Annette erst bei ihrem zweiten Aufenthalt in Meersburg beziehen.
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Sie selbst nennt ihn ihre "Spiegelei",
nach einem früheren Bewohner.
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Wie ein Vogel im Ei

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"Ich wohne hier sehr angenehm, nach meinem Wunsche wiederum in einem der Türme, aber dieses mal durch einen gedeckten Säulengang mit dem Schlosse verbunden, mein Quartier ist ungemein hell und freundlich, und hat die Aussicht über den ganzen See."

"Ungestörtheit habe ich überhaupt hier, so viel mein Herz verlangt, ich bin in meinem Turm wie begraben, und komme nur hervor, wenn ich, nach dem Läuten des Dampfboots, alte Freunde habe die Steig herauf traben gesehen."

"Ich sitze wie eine Maus in meinem Turme, und knuspere eine Nuss nach der anderen aus Laßbergs Bibliothek..."

"Mein Turm ist köstlich, d.h. meinem Geschmacke nach einsam, graulich, - heimliche Stiegen in den Mauern - Fensterscheiben mit Sprüchen von Gefangenen eingeschnitten - eine eisene Tür, die zu Gewölben führt, wo es nachts klirrt und rasselt - und nun drinnen mein lieber warmer Ofen - mein guter, großer Tisch mit Allem darauf, was mein Herz verlangt - Bücher, Schreibereien, Mineralien - und als Hospitant mein klein Kanarienvögelchen, das mir aus der Hand frisst und die Federn verschleppt. Oh, es ist ein prächtiges Ding, der runde Turm!  Ich sitze darin wie ein Vogel im Ei, und mit viel weniger Lust herauszukommen ... "


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Ich steh' auf hohem Balkone am Turm,
Umstrichen vom schreienden Stare,
Und lass' gleich einer Mänade den Sturm
Mir wühlen im flatternden Haare;
O wilder Geselle, o toller Fant,
Ich möchte dich kräftig umschlingen,
Und, Sehne an Sehne, zwei Schritte vom Rand
Auf Tod und Leben dann ringen!
 
Und drunten seh' ich am Strand, so frisch
Wie spielende Doggen, die Wellen
Sich tummeln rings mit Geklaff und Gezisch,
Und glänzende Flocken schnellen.
O, springen möcht' ich hinein alsbald,
Recht in die tobende Meute,
Und jagen durch den korallenen Wald
Das Walroß, die lustige Beute!
 
Und drüben seh ich ein Wimpel wehn
So keck wie eine Standarte,
Seh auf und nieder den Kiel sich drehn
Von meiner luftigen Warte;
O, sitzen möcht' ich im kämpfenden Schiff,
Das Steuerruder ergreifen,
Und zischend über das brandende Riff
Wie eine Seemöve streifen.
 
Wär' ich ein Jäger auf freier Flur,
Ein Stück nur von einem Soldaten,
Wär' ich ein Mann doch mindestens nur,
So würde der Himmel mir raten;
Nun muss ich sitzen so fein und klar,
Gleich einem artigen Kinde,
Und darf nur heimlich lösen mein Haar,
Und lassen es flattern im Winde!

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Annettes Lieblingsplätze

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Der See, die Landschaft, die Aussicht auf die Alpen ziehen Annette immer wieder nach draußen. Fast jeden Tag ist sie unterwegs und erkundet die Umgebung von Meersburg.
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Sie, die immerzu kränkelt, schwärmt von der "mirakulösen Luft", und berichtet ihrer Mutter, dass sie am See und in den Weinbergen spazieren "rennt".
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Treffpunkt Haltnau

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Dass Levin sie im Winter 1841/42 häufig auf den Wanderungen begleitet, erzählt Annette ihrer Mutter nicht. Um Gerede in Meersburg zu vermeiden, verlassen beide die Burg gewöhnlich getrennt und treffen sich dann am Seeufer südöstlich von Meersburg, am Weingut Haltnau.
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Heute ist das historische Rebgut ein Restaurant.
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Unterwegs am Seeufer

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"Ich spaziere täglich eine Strecke am See hinunter, was, mit dem Weg hinauf, eine ordentliche Tour für mich ist, und doch wird es mir nicht viel schwerer, als zu Rüschhaus an manchen Tagen die Treppe zu steigen."

An die Mutter, Oktober 1841

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"Wie auf den heimatlichen Kämpen Steine, wurden dann hier vom Strande die Früchte des schwäbischen Meeres aufgelesen - Muscheln, Schnecken, Tange - und mit dem großen schildplattgefassten Augenglas gemustert ..."

Levin Schücking, Lebenserinnerungen

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Bei einem dieser gemeinsamen Spaziergänge kommt es nach Levins Erinnerungen zu jener Meersburger Wette, nach der Annette in den folgenden Wochen täglich mindestens ein Gedicht verfasst, und die den Aufenthalt am Bodensee zu einer außerordentlich produktiven Schaffensperiode macht.
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Die Schenke am See

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Einer der Lieblingsorte von Annette und Levin ist ein Lokal am Rebhang überm See.

Das "Glaserhäusle" ist nach einem früheren Besitzer benannt, dem Glaser Kern. Zur Droste-Zeit bewirtet der kleinwüchsige Johann Baptist Figel hier seine Gäste.
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"Den Rückweg vom Seeufer nahmen wir meist über die Höhe, durch einen Weinberg mit einem Winzerhäuschen darin, an dem gerastet wurde und wo der 'geschäftige Pygmäe', ein beredtsames Männlein mit einem Zöpfchen, der mit seiner ebenso alten Baucis da hauste, uns Trauben brachte ..."

Levin Schücking, Lebenserinnerungen

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Heute ist das Glaserhäusle im Privatbesitz
und nicht für die Öffentlichkeit zugänglich.
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Ist's nicht ein heit'rer Ort, mein junger Freund,
Das kleine Haus, das schier vom Hange gleitet,
Wo so possierlich uns der Wirth erscheint,
So übermächtig sich die Landschaft breitet;
Wo uns ergötzt im neckischen Contrast
Das Wurzelmännchen mit verschmitzter Miene,
Das wie ein Aal sich schlingt und kugelt fast,
Im Angesicht der stolzen Alpenbühne?

Sitz nieder! – Trauben! – und behend erscheint
Zopfwedelnd der geschäftige Pigmäe;
O sieh, wie die verletzte Beere weint
Blutige Thränen um des Reifes Nähe;
Frisch greif in die kristallne Schale, frisch,
Die saftigen Rubine glühn und locken;
Schon fühl' ich an des Herbstes reichem Tisch
Den kargen Winter nahn auf leisen Socken.

Das sind dir Hieroglyphen, junges Blut,
Und ich, ich will an deiner lieben Seite
Froh schlürfen meiner Neige letztes Gut.
Schau her, schau drüben in die Näh' und Weite;
Wie uns zur Seite sich der Felsen bäumt,
Als könnten wir mit Händen ihn ergreifen,
Wie uns zu Füßen das Gewässer schäumt,
Als könnten wir im Schwunge drüber streifen!

Hörst du das Alphorn über'm blauen See?
So klar die Luft, mich dünkt ich seh' den Hirten
Heimzügeln von der duftbesäumten Höh' –
War's nicht als ob die Rinderglocken schwirrten?
Dort, wo die Schlucht in das Gestein sich drängt –
Mich dünkt ich seh den kecken Jäger schleichen;
Wenn eine Gemse an der Klippe hängt,
Gewiß, mein Auge müßte sie erreichen.

Trink aus! – die Alpen liegen Stundenweit,
Nur nah die Burg, und heimisches Gemäuer,
Wo Träume lagern langverschollner Zeit,
Seltsame Mähr und zorn'ge Abentheuer.
Wohl ziemt es mir, in Räumen schwer und grau
Zu grübeln über dunkler Thaten Reste;
Doch du, Levin, schaust aus dem grimmen Bau
Wie eine Schwalbe aus dem Mauerneste.

Sieh' drunten auf dem See im Abendroth
Die Taucherente hin und wieder schlüpfend;
Nun sinkt sie nieder wie des Netzes Loth,
Nun wieder aufwärts mit den Wellen hüpfend;
Seltsames Spiel, recht wie ein Lebenslauf!
Wir beide schaun gespannten Blickes nieder;
Du flüsterst lächelnd: immer kömmt sie auf –
Und ich, ich denke, immer sinkt sie wieder!

Noch einen Blick dem segensreichen Land,
Den Hügeln, Auen, üpp'gem Wellen-Rauschen.
Und heimwärts dann, wo von der Zinne Rand
Freundliche Augen unserm Pfade lauschen;
Brich auf! – da haspelt in behendem Lauf
Das Wirthlein Abschied wedelnd uns entgegen:
"– Geruh'ge Nacht – stehn's nit zu zeitig auf! –"
Das ist der lust'gen Schwaben Abendsegen.

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Das Ende der gemeinsamen Zeit

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Im März 1842 reist Levin aus Meersburg ab, um eine neue Stelle als Hauslehrer anzutreten.

"... ich gehe jeden Tag den Weg nach Haltenau, setze mich an die erste Treppe, wo ich dich zu erwarten pflegte, und sehe, ohne Lorgnette, nach dem Weg zu Vogels Garten hinüber, kömmt dann jemand, was jeden Tag ein paar Mal passiert, so kann ich mir, bei meiner Blindheit, lange einbilden du wärst es, und du glaubst nicht, wie viel mir das ist ..."

Am 5. Mai 1842 in einem Brief an Levin.
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Im Sturmschritt nach Daisendorf

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Nördlich von Meersburg liegt Daisendorf. Von dort aus marschiert Annette weiter am Neuweiher vorbei nach Baitenhausen und zurück nach Meersburg - eine Strecke, die lang genug ist, um sich abzureagieren.
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Der Neuweiher bei Daisendorf ist  auch heute noch ein idyllisches, einsames Plätzchen.
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Ihre Wanderungen nimmt sie wieder auf. Hier, am Wetterkreuz auf einer Anhöhe Richtung Hagnau,  soll sie bei einem ihrer Spaziergänge ihre Lorgnette verloren haben.
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Nach Hagnau

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Das Dorf Hagnau, südöstlich von Meersburg gelegen, steuert Annette auch bei ihrem zweiten Aufenthalt häufig an. Sie wandert am Seeufer entlang oder nimmt den Höhenweg durch die Reben. Wer heute hier unterwegs ist, kann auf einem Weinkundeweg Wissenswertes über die Meersburger Weinlagen erfahren.
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Ein Großpapa von einem Sturm

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Verbürgt ist das Erlebnis nicht, das Annette am 22. November 1843 in einem Brief an Elise Rüdiger schildert, denn ein Unwetter ist in den Aufzeichnungen jener Zeit nicht vermerkt. Die Freundin aus Münster war kurz zuvor am Bodensee zu Besuch.

"... einen Sturm habe ich erlebt, o, einen Großpapa aller Stürme! und habe Gott gedankt, dass ich ihn allein überstehn musste. Es war in der zweiten Woche nach Ihrer Abreise, ich hatte einen langen Spaziergang weit über Haltenau hinaus gemacht und mich eben zum Rückwege gewendet, als ein wahres Teufelswetter losbrach, ohne Regen, nur Sturm, aber um Berge zu versetzen. Bei jedem Ruck faßte er mein dickes wattiertes Kleid und wollte mich über die Mauer reißen, so dass ich gleich bergan in die Reben flüchten musste, wo ich mich kümmerlich an den Pfählen fortlavierte bis Haltenau und dort wie ein verunglückter Luftballon ins Haus mehr plumpste als flatterte, nämlich mit halbem Überstürzen, was sich wahrscheinlich eher mitleidswert als graziös mag ausgenommen haben.


Die dicke Rebfrau konnte auch mit ihrem „B’hütis Gott! b’hütis Gott!“ gar nicht aufhören und meinte, sie würde jetzt um fünf Gulden nicht über die Mauer nach Meersburg gehn. Was half das alles! Ich musste doch nach Hause, obwohl das Wüten draußen mit jeder Minute ärger wurde."
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"So ging ich wieder los und versuchte als letzten Ausweg, mich gleich den Berg hinauf zu arbeiten, wo ich schlimmstenfalls doch nur bis in die nächsten Rebpfähle geschleudert werden konnte – freilich, wenn’s mit Vehemenz geschah, immer gefährlich genug, und zudem hätte ich, wie sie wissen, Klippenwände passieren müssen.

Vielleicht war’s gut, dass der Versuch misslang, es war keine Möglichkeit, bei jedem Schritt höher konnte mich der Wind derber packen, ich musste mehr kriechen als gehn und bei jedem Ruck niederhocken, um nicht weggerissen zu werden, also wieder bergab!

Doch blieb ich zwischen den Reben, etwa dreißig Fuß über dem Mauerwege. Es war eine greuliche Arbeit; ich habe über eine Stunde gebraucht; die meiste Zeit saß ich in einem Klümpchen dicht zusammen und wartete die Pausen der Stöße ab, um dann zehn oder zwölf Schritte voran zu arbeiten.

Was wir zusammen erlebt haben, kann Ihnen nicht mal einen schwachen Begriff davon geben, aber der See war unbeschreiblich schön, so durchsichtig und in allen Farben wechselnd, wie ich davon vorher keinen Begriff gehabt. Die Sonne warf durch Wolkenlücken ein prächtiges falsches Licht darauf, und ich wurde fast geblendet durch das Blitzen der Springwellen, die unter mir wie eine endlose Reihe Fontänen aufstiegen, und zwar nicht, wie wir es kennen, nur diesseits der Mauer, sondern wenigstens vierzig Fuß höher, weit über mir und meinen Rebstöcken, niederplatschten, so dass ich nach ein paar Minuten keinen trocknen Faden mehr am Leibe und mein Rock sich in einen gefüllten Schwamm verwandelt hatte, der mich niederzog wie Blei.

Ich kann Ihnen sagen, Elise, dass ich froh war, als ich das Tor über mir und meine bedenkliche Fahrt sich in eine klatrige durch die Unterstadt verwandelt hatte. Noch einmal hatte ich einen schweren Stand, die Stiegen hinauf, wo der Wind wieder alle Macht hatte, und besonders auf der langen schmalen Brücke über den Mühlrädern, wo ich einmal keinen andern Rat wusste, als mich platt hinzuwerfen, und doch wohl herabgeweht wäre, wenn nicht der Müller, der auch grad genötigt war die Brücke zu passieren, mich am Boden festgehalten und dann auch die letzte Stiege hinauf geleitet hätte. Als ich ins Schloss kam, schnatternd und einen nassen Streifen hinter mir lassend wie ein geschwemmter Hund, ward ich auch empfangen wie ein armer Hund."
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Eine Wildnis

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Einsam liegt auch der Gehautobel,
eine bewaldete Schlucht nordwestlich von Meersburg, in die es die Dichterin auf ihren Streifzügen zieht. Am Wasserfall, so werden es später die Nichten kolportieren, lässt sie sich gerne zum Nachdenken nieder.
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Tiefab im Tobel liegt ein Haus,
Zerfallen nach des Försters Tode,
Dort ruh' ich manche Stunde aus,
Vergraben unter Rank' und Lode;
's ist eine Wildnis, wo der Tag
Nur halb die schweren Wimpern lichtet;
Der Felsen tiefe Kluft verdichtet
Ergrauter Äste Schattenhag.

Ich horche träumend, wie im Spalt

Die schwarzen Fliegen taumelnd summen,
Wie Seufzer streichen durch den Wald,
Am Strauche irre Käfer brummen;
Wenn sich die Abendröte drängt
An sickernden Geschiefers Lauge,
Dann ist's, als ob ein trübes Auge,
Ein rotgeweintes, drüber hängt.

Das Dach, von Moose überschwellt,

Lässt wirre Schober niederragen,
Und eine Spinne hat ihr Zelt
Im Fensterloche aufgeschlagen;
Da hängt, ein Blatt von zartem Flor,
Der schillernden Libelle Flügel,
Und ihres Panzers goldner Spiegel
Ragt kopflos am Gesims hervor.

Wo an zerriss'ner Laube Joch

Die langen magern Schossen streichen,
An wildverwachsner Hecke noch
Im Moose Nelkensprossen schleichen,
Dort hat vom tröpfelnden Gestein
Das dunkle Nass sich durchgesogen,
Kreucht um den Buchs in trägen Bogen
Und sinkt am Fenchelstrauche ein.

Zuweilen hat ein Schmetterling

Sich gaukelnd in der Schlucht gefangen
Und bleibt sekundenlang am Ring
Der kränkelnden Narzisse hangen;
Streicht eine Taube durch den Hain,
So schweigt am Tobelrand ihr Girren,
Man höret nur die Flügel schwirren
Und sieht den Schatten am Gestein.

Und auf dem Herde, wo der Schnee

Seit Jahren durch den Schlot geflogen,
Liegt Aschenmoder feucht und zäh,
Von Pilzes Glocken überzogen;
Noch hängt am Mauerpflock ein Rest
Verwirrten Wergs, das Seil zu spinnen,
Wie halbvermorschtes Haar, und drinnen
Der Schwalbe überjährig Nest.

Und von des Balkens Haken nickt

Ein Schellenband an Schnall' und Riemen,
Mit grober Wolle ist gestickt
"Diana" auf dem Lederstriemen;
Ein Pfeifchen auch vergaß man hier,
Als man den Tannensarg geschlossen;
Den Mann begrub man, tot geschossen
Hat man das alte treue Tier.

Sitz' ich so einsam am Gesträuch

Und hör' die Maus im Laube schrillen,
Das Eichhorn blafft von Zweig zu Zweig,
Am Sumpfe läuten Unk' und Grillen
Wie Schauer überläuft's mich dann,
Als hör' ich klingeln noch die Schellen,
Im Walde die Diana bellen
Und pfeifen noch den toten Mann.

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In einem Brief an Levin Schücking vom 20. Juni 1844
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Am Ödenstein

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Der Aussichtspunkt Ödenstein liegt auf einer Anhöhe zwischen Glaserhäusle und Meersburg.

Annette hat damals die Treppe genommen.Ob es ihr wohl gefallen würde, dass die Straße, die heute oberhalb verläuft, Droste-Hülshoff-Weg heißt?
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Aussicht vom Ödenstein.
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Annette berichtet Elise Rüdiger am 20. November 1843 vom Kauf des Fürstenhäusles oberhalb von Meersburg.
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Annette ersteigert das leerstehende Gartenhaus mit Weinberg, das einst den Fürstbischöfen und zuletzt den badischen Markgrafen gehörte, vom Honorar ihres ersten Buches.
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Dauerhaft bewohnen wird die Dichterin ihr kleines Refugium mit Blick auf die Oberstadt und den See jedoch nie.
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Als Annette im Oktober 1846 zum dritten Mal nach Meersburg kommt, zieht sie - schwer krank - wieder in die vertraute "Spiegelei", ihren Turm auf der Burg.
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An des Balkones Gitter lehnte ich
Und wartete, du mildes Licht, auf dich;
Hoch über mir, gleich trübem Eiskristalle,
Zerschmolzen, schwamm des Firmamentes Halle,
Der See verschimmerte mit leisem Dehnen,
- Zerflossne Perlen oder Wolkentränen? -
Es rieselte, es dämmerte um mich,
Ich wartete, du mildes Licht, auf dich!

Hoch stand ich, neben mir der Linden Kamm,
Tief unter mir Gezweige, Ast und Stamm,
Im Laube summte der Phalänen Reigen,
Die Feuerfliege sah ich glimmend steigen;
Und Blüten taumelten wie halb entschlafen;
Mir war, als treibe hier ein Herz zum Hafen,
Ein Herz, das übervoll von Glück und Leid,
Und Bildern seliger Vergangenheit.

Das Dunkel stieg, die Schatten drangen ein, -
Wo weilst du, weilst du denn, mein milder Schein! -
Sie drangen ein, wie sündige Gedanken,
Des Firmamentes Woge schien zu schwanken,
Verzittert war der Feuerfliege Funken,
Längst die Phaläne an den Grund gesunken,
Nur Bergeshäupter standen hart und nah,
Ein finstrer Richterkreis, im Düster da.

Und Zweige zischelten an meinem Fuß
Wie Warnungsflüstern oder Todesgruß,
Ein Summen stieg im weiten Wasserthale
Wie Volksgemurmel vor dem Tribunale;
Mir war, als müsse etwas Rechnung geben,
Als stehe zagend ein verlornes Leben,
Als stehe ein verkümmert Herz allein,
Einsam mit seiner Schuld und seiner Pein.

Da auf die Wellen sank ein Silberflor,
Und langsam steigst du, frommes Licht, empor;
Der Alpen finstre Stirnen strichst du leise,
Und aus den Richtern wurden sanfte Greise,
Der Wellen Zucken ward ein lächelnd Winken,
An jedem Zweige sah ich Tropfen blinken,
Und jeder Tropfen schien ein Kämmerlein,
Drin flimmerte der Heimatlampe Schein.

O, Mond, du bist mir wie ein später Freund,
Der seine Jugend dem Verarmten eint,
Um seine sterbenden Erinnerungen
Des Lebens zarten Widerschein geschlungen,
Bist keine Sonne, die entzückt und blendet,
In Feuerströmen lebt, in Blute endet -
Bist, was dem kranken Sänger sein Gedicht,
Ein fremdes, aber o ein mildes Licht!

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Epilog

Annette an Elise Rüdiger, am 7. August 1847. Bei diesem dritten und letzten Aufenthalt am Bodensee vermag das Klima ihre Gesundheit nicht entscheidend zu bessern.
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Der Burggarten.
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Annette von Droste wird Meersburg nicht mehr verlassen. Am 24. Mai 1848 stirbt sie in einem ihrer Zimmer auf der Burg.
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Annettes Grab auf dem Meersburger Friedhof (links), daneben das der Freundin Amalie Hassenpflug. Rechts die Ruhestätten der beiden Nichten Hildegard und Hildegund von Laßberg.
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Manche Besucherin
bringt ihr Steine zum Grab,
aufgesammelt am Ufer
des Bodensees.
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Mehr über Annette von Droste-Hülshoff

Monika Gemmer

Monika Gemmer
Monika Gemmer
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Ich bin Journalistin, studierte Literaturwissenschaftlerin und ein Fan von Annette von Droste-Hülshoff, seit ich im Proseminar an der Uni erstmals über sie referiert und schließlich meine Magistra-Arbeit über sie geschrieben habe. Für das Droste-Briefblog "Nach 100 Jahren" wurde ich mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Inzwischen habe ich auch ein Multimedia-eBook über Annette und eine Droste-App veröffentlicht.

Mehr über die Wohnsitze der Dichterin im Münsterland, ihren Alltag, ihre Familie und Freunde erfahren Sie in meiner Multimedia-Reportage Die Droste-Homestory.
Monika Gemmer
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Kapitel 5 Mehr über Annette von Droste-Hülshoff

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